Arbeiten in der Krise: die DHZ gibt Antworten auf arbeitsrechtliche Fragen
Muss ein Chef seinem Mitarbeiter in der Corona-Pandemie einen Dienstwagen für den Arbeitsweg zur Verfügung stellen? Kann die Zusammenarbeit verweigert werden, wenn ein Kollege niest und hustet? Vom Homeoffice über den Arbeitsweg bis hin zum Betriebsurlaub in der Corona-Krise: Wolfgang Wittek, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Noerr in Hamburg beantwortet in der Deutschen Handwerks Zeitung sechs arbeitsrechtliche Fragen.
1. Müssen Arbeitgeber die Arbeit im Homeoffice erlauben?
„Nein, nach aktueller Rechtslage gibt es keinen Anspruch auf Arbeit im Homeoffice“, weiß Wittek. Allerdings sei es politisch gewollt, dass möglichst viele Mitarbeiter von Zuhause aus arbeiten: „So heißt es beispielsweise in der Hamburger ‚Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2‘ vom 10. Januar 2021, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber angehalten sind, Homeoffice für ihre Beschäftigten zu ermöglichen“, sagt der Rechtsexperte. Eine Pflicht für Arbeitgeber, ihren Mitarbeitern Arbeit im Homeoffice zu gewähren, folge daraus jedoch nicht.
In der aktuellen Situation sei es für Arbeitgeber jedoch besonders aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit sinnvoll, ihren Mitarbeitern die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen. „Vorausgesetzt natürlich, dass die konkrete Tätigkeit aus dem Homeoffice verrichtet werden kann“, so Wittek. „Insoweit ist aber zu beachten, das Thema ‚Homeoffice‘ vorher auf eine entsprechende arbeitsvertragliche Grundlage zu stellen, um hinterher keine bösen Überraschungen zu erleben.“
2. Erneut gelten strenge Kontaktbeschränkungen. Können Arbeitgeber verlangen, dass Beschäftigte weiterhin zum Kunden fahren?
„Ist es für die Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit erforderlich, Kundentermine wahrzunehmen, kann der Arbeitgeber dies – solange insoweit kein gesetzliches Verbot besteht – auch verlangen“, sagt Wittek. Arbeitgeber seien jedoch verpflichtet, erforderliche arbeitsschutzrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Der Rechtsexperte verweist in diesem Zusammenhang auf die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregeln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 20. August 2020.
3. Beim Kunden oder auf der Baustelle: Bei wem liegt die Pflicht, dass die Corona-Regeln eingehalten werden?
Arbeitgeber sind verpflichtet, erforderliche Maßnahmen für die Gesundheit und Sicherheit ihrer Mitarbeiter zu treffen. „Wenn der notwendige Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann, muss der Arbeitgeber durch weitere Maßnahmen, beispielsweise Schutzmasken sicherstellen, dass für die Mitarbeiter ein größtmöglicher Schutz herrscht“, erklärt Wittek. Sofern Kunden oder andere Dritte in den Betrieb des Arbeitgebers kommen, haben sich diese an die vom Arbeitgeber aufgestellten (Schutz-)Regeln zu halten, so der Rechtsexperte. „Umgekehrt würden grundsätzlich die Schutzregeln und -maßnahmen des besuchten Betriebs gelten.“
4. Ein Arbeitskollege zeigt Symptome, die auf eine Corona-Erkrankung hindeuten könnten. Kann der Arbeitgeber verlangen, dass andere Mitarbeiter mit ihm zusammenarbeiten?
Grundsätzlich könnte ein Arbeitgeber dies verlangen, da ein Mitarbeiter seine Arbeit nicht einseitig niederlegen oder sich weigern kann und darf, mit bestimmten Mitarbeitern zusammenzuarbeiten, erläutert Wittek. „Ein Leistungsverweigerungsrecht steht einem Mitarbeiter erst dann zu, wenn ihm die Erbringung seiner Arbeitsleistung unzumutbar ist (§ 275 Abs. 3 BGB) – ein bloßes Husten eines Arbeitskollegen ohne weitere konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr reicht für die Annahme der Unzumutbarkeit nicht aus.“
Allerdings habe der Arbeitgeber gegenüber allen seinen Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht und müsse durch den Einsatz von Schutzmaßnahmen das Risiko einer Ansteckung möglichst gering halten. „In der beschriebenen Situation ist Arbeitgebern daher zu empfehlen, den betroffenen Mitarbeiter nach Hause oder (besser gleich) zu einem Arzt zu schicken, um schnellstmöglich für alle Beteiligten Klarheit über eine etwaige Corona-Infektion zu erhalten“, empfiehlt der Arbeitsrechtler.
5. Der Arbeitnehmer fühlt sich unwohl dabei, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Muss der Chef für den Arbeitsweg einen Dienst- oder Mietwagen stellen?
„Nein, wenn im Arbeitsvertrag nicht etwas entsprechendes vereinbart ist, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf ein Dienstfahrzeug“, erklärt der Rechtsexperte. Der Arbeitsweg falle generell in die Risikosphäre des Arbeitnehmers. Das heißt, dass der Arbeitnehmer das Risiko trägt, zu dem vertraglich festgelegten Arbeitsort zu gelangen.
6. Im Unternehmen gibt es Corona-Fälle, der Betrieb muss für einige Zeit schließen. Können Chefs Betriebsferien oder Urlaub anordnen?
„Sofern ein Arbeitgeber seinen Betrieb wegen Corona-Infektionen von Mitarbeitern für einige Zeit schließt oder dazu aufgrund behördlicher Anordnung gar verpflichtet ist, kann ein Arbeitgeber in aller Regel – für die gesunden Mitarbeiter – nicht noch kurzfristig einseitig Betriebsferien oder Urlaub anordnen. Der Arbeitgeber trägt grundsätzlich das Betriebsrisiko und darf dieses nicht durch eine kurzfristige einseitige Urlaubsanordnung auf die Arbeitnehmer abwälzen“, weiß Wittek.
Quelle: www.deutsche-handwerks-zeitung.de